Mythos: 15.000 l Trinkwasser für 1 kg Rindfleisch: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 18. Mai 2020, 09:03 Uhr

Ein prominentes Argument von Veganern und Umweltaktivisten ist der angeblich hohe Bedarf an Trinkwasser als Ressource zur Produktion von tierlichen Lebensmitteln. So würden allein für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch 15.000 Liter Trinkwasser verbraucht. Das sei eine Verschwendung einer knappen Ressource, was langfristig zu Umweltschäden und Verteilungsproblematiken führen könne.

Tatsächlich: Der Wirkungsindikator Wasserfußabdruck (water footprint) ist seit seiner Einführung im Jahr 2003 in der Kritik, weil die Schädlichkeit von Wassernutzung sehr von der Herkunft des Wassers und regionalen Bedingungen abhängig ist und eine pauschale Aufaddierung diese Unterschiedlichkeit unterschlägt. Die suggerierte Analogie zum CO2-Fußabdruck ist damit falsch und irreführend.

Ursprung

Virtuelles Wasser und Wasserfußabdruck

Bei virtuellem Wasser handelt es sich um ein Konzept des englischen Geographen John Anthony Allan. 1993 argumentierte er erstmal für den Bedarf eines Konzeptes zur korrekten Zuordnung (Allokation) der Wassernutzung zu verschiedenen Produkten.[1] Hinter Produkten mit dem gleichen Wassergehalt können sehr unterschiedliche und zum Teil viel größere genutzte Wassermengen stehen, die beim Handel des Produktes nicht sofort ersichtlich werden. Das Konzept sollte nun Produkten diese bei der Produktion verwendete Menge als virtuelles Wasser zuschreiben, um so darstellen zu können welche Wassernutzung mit importierten und exportierten Produkten zusammenhängt.
Etwa zwei Jahrzehnte später kam die Idee des Wasserfußabdrucks als Wirkungsindikator erstmals in einem Bericht auf.[2] Die Motivation besteht darin, dass Länder mit knappen Trinkwasserreserven, diese schonen müssen, indem sie solche Produkte importieren, die viel Trinkwasser in der Produktion benötigen, und wiederum solche Produkte exportieren, die wenig Trinkwasser in der Produktion benötigen. Man könnte mittels des Wasserfußabdrucks ermitteln welche Länder einen Nettoimport von virtuellem Wasser haben und welche einen Nettoexport. So könne verhindert werden, dass es zu Wasserknappheiten kommt. Schon damals führten die Limitationen der Studie jedoch zu viel Kritik.[3]

15.000 Liter pro Kilogramm

Die Menge an virtuellem Wassers, die für einen Kilogramm Rindfleisch aufgebracht werden muss, variiert abhängig von Haltungsart (Weide, Stall oder beides), Rinderrasse Region (Temperatur, Niederschlag) und weiteren Faktoren. Zudem gibt es auch zwischen verschiedenen Publikationen Abweichungen, da immer Annahmen getroffen werden müssen. Eine genaue Zahl anzugeben, wie viel virtuelles Wasser hinter dem Rindfleischburger einer Person steht ist daher nicht so trivial. Häufig wird sich mit den Zahlen auf einen Bericht aus dem Jahre 2010 bezogen. Darin wird ein globaler Durchschnittswert von 15.400 Litern Trinkwasser zur Erzeugung eines Kilogramms Rindfleisch angegeben.[4]


Problematik

Fußabdruck

Der Wasserfußabdruck wird regelmäßig als ein Äquivalent zum CO2-Fußabruck verstanden. Das ist jedoch unzulässig, weil eine lokale Emission von zusätzlichem CO2 globale Auswirkungen nach sich zieht unabhängig davon, ob man in einer Gegend lebt in der auch sonst viel CO2 ausgestoßen wird oder nicht. Demgegenüber steht die Wassernutzung, deren potentielle Schädlichkeit stark von lokalen Faktoren abhängt. Wassernutzung in einer wasserreichen Gegend hat ein geringeres Potential Schäden herbeizuführen als eine Wassernutzung in Regionen, in denen Umwelt und Mensch ohnehin schon mit sehr knappen Wasservorräten auskommen müssen. Daher ist es irreführend importierte Wassermengen aus verschiedenen Regionen und Kontexten miteinander zu einem Wasserfußabdruck zuverrechnen. Dabei gehen zu viele Informationen verloren, um auf dieser Grundlage eine sinnvolle Einschätzung der Umweltauswirkungen treffen zu können.[5]

Wasserart

In Tabelle 4 auf der Seite 25 des häufig zitierten Berichtes[4] wird die Wassernutzung nach Art des Tierproduktes, nach Region der Produktion und nach Wasserart aufgetrennt. Für Rindfleisch benötigt es im globalen Schnitt 14.414 Liter des sogenannten grünen Wassers, 550 Liter des blauen Wassers und 451 Liter des grauen Wassers. Diese Unterscheidung ist wichtig, um ein besseres Verständnis der tatsächlichen Umweltauswirkungen zu bekommen.
Grünes Wasser ist Regenwasser, das zu Boden fällt von den Pflanzen aufgenommen wird. Überschüssiges Regenwasser versickert, verdampft oder fließt ab und geht in Oberflächenwasser über und wird nicht mit zum grünen Wasser gezählt. Chris Perry zu Folge könne es dabei sogar vorkommen, dass die angebauten Pflanzen weniger Regenwasser aufnehmen und in Folge dessen mehr Wasser versickern oder abfließen kann als bei natürlicher Vegetation, sodass man den Anbau der Pflanzen nicht als Grünwasser-konsumierend sehen müsse, sondern im Gegensatz sogar als Grünwasser-sparend.[6] Nutzung von grünem Wasser ist aus diesem Grunde nur sehr eingeschränkt brauchbar als Indikator für die Nachhaltigkeit eines Prdouktes.
Blaues Wasser ist Wasser, dass zur Bewässerung bezogen wird. In der Regel kommt es aus dem Grundwasser. Werden Grundwasserreservoire intensiv genutzt, kann es zur Austrocknung eben dieser kommen, was eine Reihe von Umweltproblemen nach sich ziehen kann.
Graues Wasser ist Wasser, das bei der Nutzung verunreinigt wird, wodurch es nicht uneingeschränkt weiternutzbar ist. Beispielsweise wird eine gewisse Wassermenge benötigt, um Schadstoffe zu entsorgen.[7]
Auffällig ist nun bei den oben genannten Zahlen, dass knapp 94% des virtuellen Wassers aus grünem Wasser - also Regenwasser - gedeckt wird. Also einer Größe, deren Bedeutung so einfach nicht einzuschätzen ist.[4]

Regionale Unterschiede

In der Tabelle 4 auf Seite 25 des Berichtes[4] werden zudem die Wasserbedarfe nach Ländern aufgetrennt. Dabei variieren sowohl die Gesamtverbräuche als auch die Verbräuche der verschiedenen Wasserarten stark. Die Angaben für zwei Beispielnationen sollen im Folgenden angegeben werden und dadurch Rückschlüsse auf die Zweckmäßigkeit der Angabe des Wasserfußabdrucks gezogen werden.

Brasilien

In Brasilien braucht es für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch 19488 Liter Wasser und damit deutlich mehr als der globale Durchschnitt. Eine mögliche Erklärung ist die hohe Temperatur, die den Wasserbedarf der Futterpflanzen und Tiere erhöht. Schaut man sich jedoch die Zusammensetzung an, fällt auf, dass gerade mal 178 Liter blaues Wasser und 82 Liter graues Wasser benötigt werden und es sich damit bei knapp 99% des verwendeten Wassers um grünes Wasser handelt. Der hohe Anteil an grünem Wasser kommt zum Einen durch die sehr regenreiche Region zu Stande, zum Anderen kann in Brasilien ganzjährig Weidehhaltung betrieben werden. Obwohl brasilianisches Rindfleisch scheinbar einen besonders hohen Wasserfußabdruck hat, muss nur in sehr geringem Maß auf endliche Wasserreservoire zurückgegriffen werden. Dieses Beispiel macht recht deutlich, warum der Wasserfußabdruck in seiner häufig verwendeten Pauschalität ungeeignet ist, als Nachhaltigkeitsinstrument.

Niederlande

Im Bericht befinden sich keine expliziten Angaben für den virtuellen Wasserbedarf der Rindfleischproduktion in Deutschland (lediglich in den Rohdaten[8] finden sich Daten dazu, deren Auswertung jedoch Experten vorbehalten bleiben sollte und nicht Teil dieses Artikels ist). Jedoch finden sich im Bericht Angaben für die Niederlande. Obwohl die Niederlande nicht gänzlich identisch zu Deutschland sind, was die Niederschlagsmenge, die Temperaturen und die Haltungsformen angeht, kommen diese Daten vermutlich denen Deutschlands am nächsten. Für die Niederlande werden für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch 5684 Liter grünes Wasser, 484 Liter blaues Wasser und 345 Liter graues Wasser angegeben. Dem zu Folge hat ein Kilogramm Rindfleisch in den Nierderlanden einen Wasserfußabdruck von 6513 Litern. Der Wasserfußabdruck für die Niederlande ist damit nicht einmal halb so hoch, wie der globale Durchschnitt, der häufig zitiert wird. Der Anteil an blauem und grauem Wasser liegt deutlich über dem von Brasilien, was unteranderem daran liegt, dass in Europa durch niedrige Temperaturen bedingt im Winter in der Regel auf eine Stallhaltung umgestiegen wird in der die Tiere mit Wasser versorgt werden müssen.

Wasserknappheit stellt für Deutschland dem Umweltbundesamt zu Folge jedoch kein Problem dar und in den letzten Jahren ist die Wasserentnahme insbesondere durch die Industrie kontinuierlich zurückgegangen.[9]

  1. Allan, J. A. (1993) Fortunately there are substitutes for water otherwise our hydro-political futures would be impossible, Priorities for water resources allocation and management 13.4 (1993): 26.
    https://www.ircwash.org/sites/default/files/210-93PR-11967.pdf#page=18
    Archiv: https://web.archive.org/web/20200412142428/https://www.ircwash.org/sites/default/files/210-93PR-11967.pdf#page=18
  2. Hoekstra, A.Y.; Hung, P.Q. (2003) Virtual water trade, Hoekstra, Arjen Y., and Pin Q. Hung. "Virtual water trade." Proceedings of the international expert meeting on virtual water trade. Vol. 12. UNESCO-IHE, Delft
    Archiv: https://web.archive.org/web/20191121200907/http://www.ayhoekstra.nl/pubs/Report11.pdf
  3. Fereres, E., Villalobos, F.J., Orgaz, F. et al. (2017) Commentary: On the water footprint as an indicator of water use in food production. Irrig Sci 35, 83–85.
    https://doi.org/10.1007/s00271-017-0535-y
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Mekonnen MM, Hoekstra AY. (2010) The green, blue and grey water footprint of farm animals and animal products. Delft: Unesco-IHE Institute for Water Education, Value of Water Research Report Series; 48.
    https://research.utwente.nl/files/59481062/Report-48-WaterFootprint-AnimalProducts-Vol1.pdf
    Archiv: https://web.archive.org/web/20190809151041/https://waterfootprint.org/media/downloads/Report-48-WaterFootprint-AnimalProducts-Vol2_1.pdf
  5. Wichelns, D. (2015) Virtual water and water footprints do not provide helpful insight regarding international trade or water scarcity. Ecological Indicators, 52, 277-283.
    https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2014.12.013
  6. Perry, C. (2014). Water footprints: path to enlightenment, or false trail?. Agricultural Water Management, 134, 119-125.
    https://doi.org/10.1016/j.agwat.2013.12.004
  7. Bowling L.C., Cherkauer K.A. (2018) The Green, Blue, and Gray Water Rainbow. In: Eise J., Foster K.A. (eds) How to Feed the World. Island Press, Washington, DC, p.24-45, https://doi.org/10.5822/978-1-61091-885-5_3
  8. Mekonnen MM, Hoekstra AY. (2010) APPENDIX: The green, blue and grey water footprint of farm animals and animal products. Delft: Unesco-IHE Institute for Water Education, Value of Water Research Report Series; 48.https://research.utwente.nl/files/59481201/Report48_WaterFootprint_AnimalProducts_Vol2.pdf
    Archiv: https://web.archive.org/web/20200412153413/https://ris.utwente.nl/ws/portalfiles/portal/59481201/Report48_WaterFootprint_AnimalProducts_Vol2.pdf
  9. https://www.umweltbundesamt.de/themen/trockenheit-in-deutschland-fragen-antworten
    Archiv:https://web.archive.org/save/https://www.umweltbundesamt.de/themen/trockenheit-in-deutschland-fragen-antworten