Veganismus

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Veganismus ist eine Lebensweise, die sich nach außen hin durch den Verzicht auf Produkte tierlichen Ursprungs in Ernährung (Fleisch, Fisch, Eier, Milch, tlw. auch Honig) , Bekleidung (Leder, Wolle, Seide) und anderen Bereichen des Lebens (Kosmetik u. a.) zeigt.

Der Begriff Veganismus geht dabei auf die 1944 von Donald Watson, Elsie Shrigley und weiteren gegründete Vegan Society zurück. 1988 gab die Vegan Society eine neue Definition des Begriffs Veganismus aus.[1] Dieser Definition zu Folge ist Veganismus [aus dem Englischen übersetzt]:

eine Philosophie und Lebensweise, die versucht - soweit wie möglich und praktikabel durchführbar - alle Formen der Ausbeutung von und Grausamkeiten gegenüber Tieren für Essen, Kleidung und andere Zwecke zu vermeiden […]

Diese Definition betont ethische Beweggründe als Motivation – Ausbeutung und Grausamkeiten sind klar moralische Themenfelder. Weiter lautet die Definition der Vegan Society:

und in weiterer Folge die Entwicklung und Verwendung von tierfreien Alternativen zu Gunsten von Mensch, Tier und Umwelt fördert. In Bezug auf die Ernährung bedeutet dies den Verzicht auf alle Produkte, die zur Gänze oder teilweise von Tieren gewonnen werden.

Umfragen deuten darauf hin, dass es sich bei der ethischen Komponente um die am weitesten verbreitete Motivation für eine vegane Lebensweise handelt. So gaben beispielsweise bei einer Umfrage von vegan.eu (n=1307) 82,5% der TeilnehmerInnen als Motiv: Tierrechte/Tierschutz (Tiere sollen nicht leiden und Tiere sollen nicht getötet werden) an (Stand Okt.2016) [3]. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen weitere Umfragen [4,5]. In den Umfragen ergeben sich jedoch auch die Motivationsfelder der erhofften gesundheitlichen Vorteile einer tierfreien Ernährung oder der erhofften positiven Auswirkungen auf die Umwelt.
Dass es sich bei ethischen Motiven um die am weitesten verbreiteten handelt, lässt sich auch anhand der Selbstverständnisse zahlreicher veganer Organisationen abbilden. So ist es der Motivationstreiber für vegane Organisationen, wie zum Beispiel die Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt eV. [6], PETA Deutschland eV. [7], Animal Rights Watch eV. (ARiWa)[8], Tierschutzbund eV.[9], Verein gegen Tierfabriken [10], Deutsches Tierschutzbüro eV. [11], Animal Equality Germany eV. [12] und viele weitere. Viele dieser Organisationen führen zusätzlich gesundheitliche und umweltbezogene Argumentation an. Einige räumen allen Argumenten eine ähnliches Gewicht zu, so zum Beispiel ProVeg eV. (ehemals VEBU) [13]. (Eine Liste weiterer Tierschutz Organisationen ohne Anspruch auf Vollständigkeit [14].)
Hier ist anzumerken, dass sich nicht auf die Ethik bezogene Argumente nur indirekt auf den Veganismus selbst beziehen (können).

Philosophisch kann sich der Veganismus inzwischen auf eine zunehmend ernstere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Tierethik berufen [15,16], obwohl die Beschäftigung damit keineswegs gänzlich neu ist. So hat sich beispielsweise schon der Schüler des Aristoteles, Theophrastos von Eros [ca. 372-287 v. Chr.], kritisch zum Töten von Tieren geäußert, die weder gefährlich noch schädlich seien [17].

Vegane Bewegung

Die Zahlen der vegan lebenden Menschen in Deutschland schwanken stark je nach Umfrage. So schätzte die SKOPOS Gruppe die Zahl der VeganerInnen in Deutschland anhand einer repräsentativen Umfrage (n=1000) für die Veganen Gesellschaft Deutschland eV. im Jahr 2016 auf etwa 1,3Millionen [18]. Dagegen kommt die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) bei einer Umfrage (n=23.318) auf 0,95Millionen vegan lebende deutschsprachige Menschen ab 14 Jahren in Deutschland[19]. Bei letzterer Umfrage wurde im Wortlaut jedoch danach gefragt, ob die Person sich als VeganerIn oder als jemand, der weitgehend auf tierische Produkte verzichtet sehe, sodass das Ergebnis zu Gunsten einer höheren Anzahl verzehrt sein könnte.

Da der Veganismus in den letzten Jahren zunehmend gewachsen ist [18,19] und in Folge dessen von Lifestyle Coaches der Abnehmszene, sowie esoterischen Gurus für sich entdeckt worden ist, sind heute immer wieder extreme Essenstrends (Rohkost, Urkost, basische Ernährung und weitere) als auch Scharlatane in der Bewegung zu sehen, die sich des Labels bedienen. Auch eine Verzahnung mit nationalistischem, fremdenfeindlichem und/oder menschenfeindlichem Gedankengut, sowie ein Hang zu Verschwörungsmythen ist in einigen veganen Gruppierungen zu beobachten. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass es sich dabei um repräsentative Einstellungen handelt, da der Veganismus Untersuchungen zu Folge mehr Anklang unter progressiven und liberal-sozial eingestellten Personen findet.[20]
Zudem kursieren sowohl in der veganen Bewegung als auch in der nicht veganen Bevölkerung viele Missverständnisse und zweifelhafte Behauptungen über die Nutztierindustrie und den Umgang mit Tieren - geschredderte Küken landeten einem Mythos zufolge in Chicken Nuggets oder aber Milchkühe seien so gezüchtet, dass sie Milch gäben auch ohne ein Kalb geboren zu haben. Weitere Mythen existieren sowohl über vegane Ernährungsformen und deren gesundheitliche Auswirkungen – demnach seien vegane Ernährungsformen entweder Schutz und Heilmittel für eine Reihe unheilbarer Krankheiten, oder aber führten unweigerlich zu Mangelerscheinungen - , als auch über die ökologischen Auswirkungen und den Ressourcenverbrauch - so bräuchte es in der Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch 16kg Getreide und 15.000l Trinkwasser, oder für Tofu würden Regenwälder abgeholz.
Außerdem kommt es teilweise vor, dass VeganerInnen Medikamente und Impfungen ablehnen, weil diese nicht ohne Tierversuche und teilweise nicht ohne Verwendung tierlicher Bestandteile erforscht und hergestellt werden können. Eine Aufopferung dieser Art wird von VeganerInnen in der Regel allerdings nicht als notwendig erachtet.

Vegane Ernährung

Eine vegane Lebensweise äußert sich am offensichtlichsten in der Nahrungsmittelauswahl. Das Fleisch von Schweinen, Rindern, Geflügel, Fischen und anderen Tieren, sowie andere tierliche Erzeugnisse, wie Milch und Milchprodukte oder Eier, werden von VeganerInnen nicht verzehrt. Diese Nahrungsquellen sind für den Menschen jedoch eine bedeutende Quelle von essentiellen Nährstoffen. Die meisten dieser Nährstoffe lassen sich auch aus nicht-tierlichen Nahrungsmitteln aufnehmen. Wie in einer mischköstlichen/omnivoren Ernährungsweise, gibt es allerdings auch bei einer tierfreien Ernährung einige kritische Nährstoffe auf die man dabei besonders Rücksicht nehmen sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eV. (DGE) führt dabei folgende Nährstoffe als kritisch für vegane Ernährungsweisen auf[21]:

Dabei nehme die Versorgung des Körpers mit dem Vitamin B12 (Cobalamin) die kritischste Rolle ein. In ihrem Positionspaper legen die Wissenschaftler der DGE dar, wie eine ausreichende Versorgung mit all diesen kritischen Nährstoffen dennoch gewährleistet werden könne. Dabei gebe es insbesondere für das Vitamin B12 derzeit keine zuverlässigen Belege, dass eine ausreichende Aufnahme ohne Supplemente sichergestellt werden könne[21].
Für Schwangere und Kleinkinder spricht die DGE keine Empfehlung für eine vegane Ernährung aus.
Anzumerken ist hier, dass die DGE im internationalen Vergleich mit großen Ernährungsorganisationen anderer Länder mit dieser Position durchaus eine Sonderstellung einnimmt. So halten sowohl die Working Group of the Italian Society for Human Nutrition [22], die Academy of Nutrition and Dietetics (USA)[23], als auch die Dietitians of Canada[24] eine gut geplante vegane Ernährungsweise für in allen Lebenslagen nährstofflich adäquat und gaben jeweils ein Positionspapier dazu aus. Auch die British Dietetic Association[25] und die Dietitians Association of Australia[26] geben auf ihren Onlinepräsenzen einer gut geplanten Ernährungsweise grünes Licht. Auf ihrer Website gibt die DGE als Begründung für diese unterschiedliche Positionierung die mangelnde Datenlage für Deutschland spezifische vegane Ernährungsweisen an. So sei im Vergleich zu Amerika die Anreicherung mit Mineralstoffen und Vitaminen in Deutschland weniger verbreitet und eine Aufnahme der kritischen Nährstoffe dadurch insgesamt etwas schwerer als in anderen Ländern[27]. Die DGE rät insbesondere neuen VeganerInnen dazu sich Unterstützung in Form einer Ernährungsberatung einzuholen, um sicherzustellen, dass die vegane Ernährung gut geplant ist und alle kritischen Nährstoffe gut abgedeckt werden. [21]


Vegane Kinderernährung

An dieser Stelle sind auch die in den Medien immer wieder auftauchenden Artikel zu tragischen Todesfällen unter vegan ernährten Kindern anzuführen. Auffällig dabei ist, dass in diesen Fällen häufig eine sehr einseitige Ernährung stattgefunden hat – häufig auch rohköstlich[28,29], dass nach dem Auftreten von Krankheitssymptomen kein Arzt aufgesucht worden ist[29,30] – nicht selten, weil eine generelle Ablehnung gegen die Schulmedizin vorherrschte, dass stattdessen Heilpraktiker aufgesucht worden sind [29], oder aber dass Impfungen gegen gefährliche Krankheiten ausgeblieben sind[28,31].
Während in Berichten über in ihrer Entwicklung gehemmte oder verstorbene Kinder, die vegan ernährt worden sind, häufig suggeriert wird, eine vegane Ernährung sei für Kinder generell nicht geeignet, wurde in den ersten Ergebnissen der in Deutschland durchgeführten VeChi-Studie an omnivor, vegetarisch und vegan ernährten Kindern im Alter von 1-3Jahren ein im Durchschnitt normales Wachstum der veganen Probandengruppe festgestellt[32]. Während die Wissenschaftler feststellen konnten, dass die überwiegende Mehrheit der Kinder in der veganen Probandengruppe mit Vitamin B12 supplementiert wurden, attestierten sie:bei einem Teil der Familien besteht Bedarf für eine qualifizierte Ernährungsberatung. [33] Heute sind bereits die ersten veganen Kindertagesstätten in Deutschland in Betrieb. So zum Beispiel der von der Elterninitiative Veggie-Kids e.V. getragene Mokita-Kinderladen in Frankfurt[34,35] oder der von einer Elterninitiative Erdlinge eV. getragene Erdlinge Kindergarten in München[36,37]. Der Berliner Senat gab hingegen in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der AFD bekannt, es sei einer Kita auferlegt worden, eine Wahlmöglichkeit zwischen veganem und nicht veganem Essensangebot sicherzustellen[38] und bezieht sich auf die kritische Einschätzung der DGE zu veganer Kinderernährung [21].



Referenzen

[1] https://www.vegansociety.com/about-us/history
[2] https://www.vegansociety.com/go-vegan/definition-veganism
[3] Umfrage für Vegan.eu (n=1307): „Warum vegan?“ https://www.vegan.eu/vegan-motive-umfrage/
[4] Umfrage für Veganz (n=24.000): https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1067492/umfrage/umfrage-zu-gruenden-fuer-den-veganismus-in-europa/
[5] Janssen, M. et al.(2016) Motives of consumers following a vegan diet and their attitudes towards animal agriculture; Appetite Vol. 105, 643-651 https://doi.org/10.1016/j.appet.2016.06.039 (n=329).
[6] https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/warum-vegan
[7] https://www.peta.de/vegan-definition
[8] https://www.ariwa.org/selbstverstaendnis/
[9] https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/veganismus/
[10] https://vgt.at/projekte/vegetarismus/index.php
[11] https://www.tierschutzbuero.de/selbstdarstellung/
[12] https://animalequality.de/unsere-geschichte/
[13] https://www.jobverde.de/karriereinfo/Veganer-und-Vegetarier-Jobs
[14] https://proveg.com/de/ueber-uns/
[15] Ach, J. S. (2019) Können sie leiden? – Ein Einblick in die moderne Tierethik am Beispiel der Nutztierhaltung, in: Diehl, E.; Tuider, J. (Hrsg.) Haben Tiere Rechte?, Bundeszentrale für politische Bildung, Band 10450:53-65, https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/SR_10450_Haben_Tiere_Rechte_ba.pdf
[16] Schmitz, F. (2014) Tierethik – Grundlagentexte, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2082:49-73, ISBN: 978-3-518-29682-0
[17] Baranzke, H.; Ingensiep, H. W. (2019) Was ist gerecht im Verhältnis zwischen Mensch und Tier?, in: Diehl, E.; Tuider, J. (Hrsg.) Haben Tiere Rechte?, Bundeszentrale für politische Bildung, Band 10450:27-28, https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/SR_10450_Haben_Tiere_Rechte_ba.pdf
[18] Umfrage für Vegane Gesellschaft Deutschland eV. (2016) (n=1000): https://www.skopos-group.de/news/13-millionen-deutsche-leben-vegan.html
[19] Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (2015-2019) (n=23.000): https://de.statista.com/statistik/daten/studie/445155/umfrage/umfrage-in-deutschland-zur-anzahl-der-veganer/
[20] Martinelli, D., Berkmanienė, A. (2018) The Politics and the Demographics of Veganism: Notes for a Critical Analysis. Int J Semiot Law 31, 501–530, https://doi.org/10.1007/s11196-018-9543-3
[21] https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2016/04_16/EU04_2016_M220-M230_korr.pdf
[22] Agnoli C. et al. (2017) Position paper on vegetarian diets from the working group of the Italian Society of Human Nutrition, Nutrition, Metabolism & Cardiovascular Diseases, Volume 27, Issue 12:1037–1052, https://doi.org/10.1016/j.numecd.2017.10.020
[23] Melina V. et al. (2016) Position of the Academy of Nutrition and Dietetics: Vegetarian Diets, J Acad Nutr Diet. 2016 Dec;116(12):1970-1980., https://doi.org/10.1016/j.jand.2016.09.025
[24] Mangels A. R. et al. (2003) Position of the American Dietetic Association and Dietitians of Canada: Vegetarian diets, J Am Diet Assoc. 2003 Jun;103(6):748-65, https://doi.org/10.1053/jada.2003.50142
[25] https://www.bda.uk.com/resource/british-dietetic-association-confirms-well-planned-vegan-diets-can-support-healthy-living-in-people-of-all-ages.html
[26] https://daa.asn.au/smart-eating-for-you/smart-eating-fast-facts/healthy-eating/vegan-diets-facts-tips-and-considerations/
[27] https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/vegane-ernaehrung/#c2933
[28] https://www.focus.de/gesundheit/news/vegane-ernaehrung-und-keine-impfungen-kind-fast-an-mangelernaehrung-gestorben_id_10752768.html
[29] https://www.spiegel.de/panorama/kind-verhungert-bewaehrungsstrafen-fuer-veganer-eltern-a-328416.html
[30] https://www.focus.de/gesundheit/news/australien-vegan-ernaehrtes-baby-gefaehrlich-unterentwickelt-eltern-droht-nun-gefaengnis_id_10690061.html
[31] https://www.oe24.at/welt/weltchronik/Veganer-Eltern-liessen-Tochter-verhungern/283641
[32] Weder, S. (2019) Energy, Macronutrient Intake, and Anthropometrics of Vegetarian, Vegan, and Omnivorous Children (1–3 Years) in Germany (VeChi Diet Study) , Nutrients 2019, 11(4): 832; https://doi.org/10.3390/nu11040832
[33] Heger, M. (2018) Vorläufige Ergebnisse VeChi-Studie, Pressemitteilung vom 19.April. 2018: https://www.vechi-studie.de/app/download/11749965412/180419_PM_Vorl%C3%A4ufige%20Ergebnisse_VeChi_Diet.pdf?t=1524472578
[34] http://mokitakinderladen.de/
[35] https://youtu.be/-ZFx6bblw3U
[36] https://www.erdlinge-kiga.de/
[37] https://www.tz.de/welt/gastbeitrag-sti722504/muenchens-erster-veganer-kindergarten-erdlinge-sagen-eltern-skeptikern-zr-10095376.html
[38] Antwort des Berliner Senats (August.2018), Drucksache 18/15892, http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-15892.pdf