Mythos: 51 % der globalen Treibhausgasemissionen durch Nutztierhaltung verursacht

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Regelmäßig ist aus veganen Kreisen zu hören, die Nutztierindustrie sei der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen. Demnach gingen ganze 51 % der klimawirksamen Gase auf das Konto der Nutzierindustrie.[1][2][3] Auch über die vegane Szene hinaus findet diese Statstik gerne Verwendung.[4][5][6] Auf dieser Grundlage wird von VeganerInnen ein schnellstmögliches Ende der Nutztierindustrie zum Schutze des Klimas, der Umwelt, der Tierwelt und der Menschheit gefordert.

Auflösung: Tatsächlich ist davon auszugehen, dass weltweit etwa 14,5 % der Treibhausgasemissionen direkt oder indirekt mit der Nutztierhaltung zusammenhängen.[7]

Ursprung

Diese 51 %-Statistik aus dem Bericht des World Watch Institutes aus dem Jahr 2009 mit dem Namen „Livestock and Climate Change“[8] ist spätestens seit dem Dokumentarfilm Cowspiracy[9] aus dem Jahr 2014 immer wieder zu hören, wenn Veganer für den Verzicht von tierlichen Lebensmitteln werben. Der Bericht versteht sich dabei als die überarbeitete Version des FAO Berichtes „Livestock’s Long Shadow“[10] aus dem Jahr 2006, der sich mit den Treibhausgasemissionen der Nutztierindustrien auseinandersetzt. Während der FAO Bericht das Treibhauspotential der von der globalen Landwirtschaft emittierten Treibhausgase auf 18 % schätzt (im Jahr 2013 von der FAO nach unten korrigiert auf 14,5 %[7]), gibt der WWI Bericht für den Anteil der Kohlenstoffdioxid Äquivalente aus der Landwirtschaft satte 51 % an.[8]

Der Anteil der Treibhausgasemissionen aus der deutschen Landwirtschaft an den deutschen Emissionen werden vom Umweltbundesamt auf 7,2 % geschätzt. Davon verursacht einem Bericht zufolge die Tierhaltung etwa 40 %. Wichtig anzumerken ist, dass hierbei viele indirekt mit der Tierhaltung verbundene Emissionen nicht mit einbezogen worden sind - so etwa die an die Futtermittelimporte gebundenen Emissionen –, sodass diese Zahlen nicht vergleichbar sind mit denen der FAO und nur ein sehr eingeschränkte Beurteilung der tatsächlichen von der Tierhaltung bedingten Treibhausgasemissionen zulassen.[11]

Problematik

Der Bericht des WWI unterliegt einigen methodischen Fehlern. Allen voran die Berechnung des bei der Atmung der Nutztiere ausgestoßenen Kohlenstoffdioxids in der Bilanz. Dabei handelt es sich um eine sehr große Menge von Treibhausgasen, die in vorherigen Berichten nicht mitberücksichtigt worden sind. Eine solche Treibhausgasmenge wurde in anderen Publikationen jedoch nicht einfach übersehen, sondern mit Absicht nicht mitberechnet. Der Grund dafür liegt im sogenannten Kohlenstoffkreislauf. Kohlenstoffdioxid, das die Tiere bei der Atmung freisetzen, ist vorher von Pflanzen aus der Luft gebunden worden. Mit steigender Anzahl an Nutztieren muss auch eine steigende Menge an Futterpflanzen angebaut werden. Daher wird selbst mit steigender Anzahl der Nutztiere im Schnitt nicht mehr Kohlenstoffdioxid durch Atmung in die Luft freigesetzt. Dieser Kreislauf erklärt, warum das bei der Atmung von Nutztierherden freigesetzte Kohlenstoffdioxid keinen Einfluss auf die derzeitige Veränderung des Klimas hat. Im Gegensatz dazu wird bei der Freisetzung von Kohlenstoffdioxid, das sich zuvor nicht im Kreislauf befunden hat - wie das in fossilen Energieträgern, das in Permafrostböden oder das in sehr alten und langlebigen Wäldern -, die Konzentration des Treibhausgases in der Atmosphäre erhöht, sodass es eine zusätzliche Treibhauswirkung nach sich zieht.

Ein weiteres Missverständnis ist, dass bei einer Umstellung von Nutztierhaltung auf Ackerbau sämtliche tierhaltungsbedingten Emissionen eingespart werden könnten. Jedoch werden auch bei der Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel Treibhausgase emmitiert. Einer Studie zufolge könnte eine Umstellung der amerikanischen Landwirtschaft auf eine nutztierfreie Landwirtschaft etwa 28 % der Landwirtschaftsbedingten Treibhausgasemissionen eingespart werden.[12] Berücksichtigt werden sollte, dass solche Lebenszyklus-Analysen immer mit Annahmen arbeiten müssen und nicht in der Lage sind, alle Einflussfaktoren und Folgen zu berücksichtigen. So räumen die Studienautoren ein, dass einige wichtige Einflussfaktoren nicht berücksichtigt werden konnten wie beispielsweise die Sicherstellung der ausreichenden Versorgung mit Mikronährstoffen oder die Eignung der Böden als Anbaufläche für hochqualitative pflanzliche Nahrungsmittel.

Einzelnachweise

  1. Henrich, E. W. und Lendle, G. (2012) Ab jetzt vegan!, georg Thieme Verlag, ISBN:9783830466628
  2. Bolk, P.(2014) So geht vegan!, Südwst Verlag, ISBN:9783641143534
  3. https://jedertag.org/die-massentierhaltung-ist-klimakiller-nummer-eins/
    Archiv: https://web.archive.org/save/https://jedertag.org/die-massentierhaltung-ist-klimakiller-nummer-eins/
  4. http://www.veggiday.de/klimawandel/37-klimaberichte/4-klimawandel-treibhausgase-fleisch-51-prozent-co2.html
    Archiv: https://web.archive.org/save/http://www.veggiday.de/klimawandel/37-klimaberichte/4-klimawandel-treibhausgase-fleisch-51-prozent-co2.html
  5. https://www.forum-energiewende-vorpommern.de/aktuelles/umwelt-klimawandel/1585-51-aller-weltweit-ausgestossenen-treibhausgase-werden-von-der-nutz-tierhaltung-verursacht-also-mehr-als-durch-den-gesamten-weltweiten-verkehr.html
    Archiv: https://web.archive.org/save/https://www.forum-energiewende-vorpommern.de/aktuelles/umwelt-klimawandel/1585-51-aller-weltweit-ausgestossenen-treibhausgase-werden-von-der-nutz-tierhaltung-verursacht-also-mehr-als-durch-den-gesamten-weltweiten-verkehr.html
  6. Foer, J. S.(2019) Wir sind das Klima!, Kiepenhauer&Witsch, ISBN:9783462320213
  7. 7,0 7,1 FAO (2013) Tackling Climate Change through Livestock: http://www.fao.org/3/i3437e/i3437e00.htm
    Archiv: https://web.archive.org/save/www.fao.org/3/i3437e/i3437e.pdf
  8. 8,0 8,1 Goodland, R. et al. (2009) Livestock and climate change, World watch 22(6):10-19: https://awellfedworld.org/wp-content/uploads/Livestock-Climate-Change-Anhang-Goodland.pdf
    Archiv: https://web.archive.org/web/20200409173433/https://awellfedworld.org/wp-content/uploads/Livestock-Climate-Change-Anhang-Goodland.pdf
  9. Adnerson, K. and Kuhn, K. (2014) Cowspiracy: the sustainability secret, Link zur Homepage zum Film https://www.cowspiracy.com/
  10. FAO (2006) Livestock’s long shadow: http://www.fao.org/3/a0701e/a0701e00.htm
    Archiv: https://web.archive.org/save/www.fao.org/docrep/010/a0701e/a0701e.pdf
  11. Baumgarten, C. et al. (2018) Daten zur Umwelt 2018: Umwelt und Landwirtschaft, S.34-35: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/daten-zur-umwelt-2018-umwelt-landwirtschaft
    Archiv: https://web.archive.org/web/20200409173622/https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/uba_dzu2018_umwelt_und_landwirtschaft_web_bf_v7.pdf
  12. White, R. R. und Hall, M. B.(2017) Nutritional and greenhouse gas impacts of removing animals from US agriculture, PNAS, 114(48): E10301-E10301: https://doi.org/10.1073/pnas.1707322114