Täterethik

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Täterethik (auch Täter-Ethik oder Täterideologie) ist ein tierethisches Konzept, das Tierrechtlern unterstellt worden ist. Es handelt sich dabei um eine Fehlinterpretation oder Verzerrung von tatsächlich vertretenen tierethischen Positionen. Dem Konzept zu Folge, würden Tierrechtler sich nicht um die Leiden der Opfer von Taten scheren, sondern lediglich auf die Täter schauen. Das sei die Erklärung, warum Tierrechtler es Menschen moralisch verbieten würden Tiere zu töten, das Töten den Raubtieren jedoch erlaubten.

Verwendung

Der Begriff Täterethik findet vor allem auf dem Facebook-Profil des Bauernverbandes Schleswig-Holstein Verwendung. (Einige Beispiele aus dem ersten Halbjahr 2019)[1] Außerdem verwendete ein Autor den Begriff in einem Gastbeitrag auf dem „BlogAgrar“ im November 2018 mit dem Titel Die Täter-Ethik der Tierrechtler.[2] Derselbe Autor warf Tierrechtlern dieses Konzept im Januar 2019 bei einer Meinungsabfrage des NDRs zum Thema der Tierliebe unserer Gesellschaft vor.[3] Die Verwendung des Begriffes durch diesen Autor deckt sich dabei mit den Äußerungen auf der Facebook-Seite des Bauernverbandes. Zudem wurde der Bauernverband Schleswig-Holstein in einem Artikel des Agrarmagazins topagrar vom Juli 2019 befragt und mit Äußerungen wie Täterideologie und Täterethik des Tierrechts zitiert.[4]

Konzept und Kritik


Unterstellter Täterfokus

Mit dem Anführen einer angeblichen Täterethik geht der Vorwurf einher, Tierrechtler würden sich nur am Täter orientieren. Das Opfer selbst bleibe dabei unberücksichtigt und falle hinten rüber. Im BlogAgrar-Beitrag vom 27.11.2018 heißt es:

Soweit scheint das schlüssig, aber nur solange man die Perspektive des „Täters“ einnimmt, sei es Mensch oder Wolf. Aber was ist mit der Sicht des Opfers? Dem Schwein oder der Robbe ist es doch herzlich egal, ob der Mensch es isst oder der Wolf/Eisbär es frisst.[2]

Das problematische an diesem Vorwurf ist, dass unterschlagen wird, dass Tierrechtler in Wahrheit die Interessen des Opfers durchaus mit einbeziehen. Wählt man dabei einen Abwägungsansatz der auf eine Maximierung des Glücks und eine Minimierung des Leids aller Beteiligten abzielt, wiegt man die Interessen des Opfers und die des Täters gegeneinander auf. In beschriebenen Fall ist das Leid des Opfers durch die Tötung zumindest in einer vereinfachten Betrachtung in beiden Fällen vergleichbar. Der Tod des Opfers ist eine Verletzung des Interesseses zu leben unabhängig davon, ob das Opfer von einem Wolf oder von einem Menschen getötet wird.
Bei der Betrachtung des Täters ergeben sich aber durchaus Unterschiede und daher kommt der scheinbare Fokus nur auf die Täter - Mensch oder Raubtier. Beispielsweise ist es wichtig, ob der Täter überhaupt eine andere Handlungsalternative hat. Ein Wolf oder Eisbär kommt nicht um das Töten und essen seiner Beute herum, wenn er leben möchte. Ein Mensch hingegen kann sich - zumindest in Industrienationen - alternativ für eine vegane Ernährung entscheiden.

Außerdem ist es wichtig zu unterscheiden inwieweit der Täter seine Taten überhaupt moralisch reflektieren kann. In der Philosophie wird häufig unterschieden zwischen moralischem Objekt und moralischem Subjekt. Ein moralisches Subjekt besitzt eine ausreichende moralische Refelktionsfähigkeit, um für die eigenen Taten verantwortlich gemacht werden zu können. An ein moralisches Subjekt können daher moralische Forderungen gestellt werden. Darunter fallen die meisten Menschen.
Unter die Kategorie moralisches Objekt fallen etwa Kleinkinder, gegebenenfalls schwer demente oder schwer geistig behinderte Menschen, Menschen mit entsprechenden schweren psychischen Störungen, aber auch nicht-menschliche Tiere. Diese mögen zwar nicht fähig sein komplexen moralischen Forderungen nachzukommen, dennoch sind sie empfindungsfähig und Träger von Interessen und daher moralisch zu berücksichtigen (zumindest wenn man keine kontraktualistische Position vertritt).[5]

Vorbringer des Vorwurfes der Täterethik wollen regelmäßig damit argumentieren, dass man strenger gegen Wölfe vorgehen solle, die Schafsherden bedrohen. Dabei kommt ein dritter Aspekt kommt hinzu, wenn man sich die Folgen des Eingreifens für den Täter, den Wolf, ansieht. Wenn zum Schutz der Schafherde der Wolf getötet wird, dann wird der Wolf dadurch selbst zum Opfer. Versetzt man sich in die Perspektive des Wolfes, ist man dadurch nicht bloß in der Perspektive des Täters, sondern auch in der des Opfers zugleich. Es ist verkürzt sich nur auf das eine Opfer des Sachverhaltes zu konzentrieren.

Geforderter Opferfokus

Mit dem Vorwurf der Täterethik geht gelegentlich die Forderung einher sich eher ausschließlich auf das Opfer zu fokussieren. Dabei werde deutlich, dass der Mensch Tiere - zumindest in westlichen Ländern - in der Regel weniger leidvoll tötet als ein Raubtier. Denn Letzteres frisst gelegentlich schon am noch lebendigen Tier, sobald dieses zu stark verletzt ist, um zu fliehen, während der Mensch mit einer Betäubung sicherzustellen versucht, das Leid des Tieres zureduzieren. Wer den Sachverhalt auf die Opferbetrachtung reduziert, könnte zu der Schlussfolgerung kommen, dass beim Töten durch ein Raubtier mehr Leid entsteht als bei der Tötung durch den Menschen und so das Szenario in dem das Raubtier das Tier tötet eher abzulehnen sein muss.
Im BlogAgrar-Beitrag heißt es dazu:

Noch mehr: Das Schwein würde eine saubere Schlachtung sicher den Fangzähnen des Raubtieres vorziehen. Die Schlachtung ist weniger schmerzhaft, dafür schneller. Was der Wolf dagegen macht, ist sehr natürlich, aber eine große Qual für das Opfer.[2]

Hier kommt ein weiteres Problem zum Tragen. Das Gedankenspiel des Autors zeugt vor allem davon, dass er sich eben nicht wirklich in das Opfer hineinversetzt hat. Denn obwohl eine saubere Schlachtung das weniger leidvolle Szenario wäre, würde sich ein Tier wahrscheinlich nicht für die Schlachtung entscheiden, sondern sich vor beiden Bedrohungen sträuben.
Richtig ist, dass die Tötung durch ein Raubtier in der Regel mehr Leid erzeugt als eine saubere Schlachtung durch den Menschen. Das brächte dem Szenario der Tötung durch ein Raubtier eine höhere Rechtfertigungslast ein. Allerdings wird hierbei erneut die im Kapitel Unterstellter Täterfokus erwähnte Sinnlosigkeit der Forderung gegenüber dem Raubtier sich zu rechtfertigen übersehen. Dieses Framing auf das Opfer allein führt erst zu der scheinbaren Widersprüchlichkeit der Position der Tierrechtler.

Vorwurf der Menschenfeindlichkeit

Mit dem unterstellen einer Täterethik geht gelegentlich der Vorwurf der Menschenfeindlichkeit einher.
Im BlogAgrar-Beitrag heißt es:

In einer Gesellschaft, in der der Stärkere, solange er kein Mensch ist, das Recht hat, zu nehmen, was er bekommt, wollen wahrscheinlich nicht mal die Tierrechtler selber leben. Denn in dieser Welt hätte der Wolf sogar das Recht, Menschen zu töten, wenn er denn nicht anders satt wird. Und wir dürften nichts dagegen tun. Diese Täter-Ethik ist unmenschlich.[2]

Dabei wird unterstellt, dass der Mensch nicht intervenieren dürfe, solange er eine Tat nicht als moralisch verwerflich einordne. Wenn man dem Wolf also nicht vorwerfen könne, dass er Schafe auf der Weide reißt, dann müsse man ihn gewähren lassen und sei ihm ausgeliefert. Auch hier kommt das zuvor adressierte Missverständnis der Positionen von Tierrechtlern zum Vorschein. Ein moralisches Objekt kann für seine Taten nicht haftbar gemacht werden. Sehr wohl aber darf sich zu den Taten eines moralischen Objektes verhalten werden. Dabei gilt es jedoch selbst moralisch abzuwägen und dementsprechend zuhandeln. Im Umgang mit dem Wolf bedeutet das nach dem mildesten Mittel zur Konfliktvermeidung oder -bewältigung Ausschau zuhalten.

Einzelnachweise

  1. 2,0 2,1 2,2 2,3 Hauschild, S.(27.11.2018) Die Täter-Ethik der Tierrechtler, BlogAgrar
    https://blogagrar.de/meinung/die-taeter-ethik-der-tierrechtler/
    Archiv: https://web.archive.org/save/https://blogagrar.de/meinung/die-taeter-ethik-der-tierrechtler/
  2. Hauschild, S. (2019) Die Debatte – NDR – Ihre Meinung, wie tierlieb sind wir.
    [Nicht mehr online abrufbar]
    Archiv: https://abload.de/image.php?img=tter-ethikndrmeinung-r4kyj.png
  3. Deter, A.(01.07.2019) Kritik per Modellbahn - Miniatur Wunderland plakatiert Tierrechtlersprüche
    https://www.topagrar.com/panorama/news/miniatur-wunderland-plakatiert-tierrechtlersprueche-11584186.html
    Archiv: https://web.archive.org/save/https://www.topagrar.com/panorama/news/miniatur-wunderland-plakatiert-tierrechtlersprueche-11584186.html
  4. Rowlands, M.(2015) Can Animals Be Moral?,Oxford University Press,p.36.
    ISBN:9780190240301